Camping mit dem Motorrad polarisiert. Die einen hassen es, die anderen lieben es, einige tun es, weil es günstig ist. Und dann gibt es noch die Biker/innen, die gern würden, aber nicht so richtig wissen, wie. Dabei kann das Übernachten im Zelt auf einer Motorradreise ein grandioses Erlebnis sein. Laue Sommernächte am Lagerfeuer, atemberaubende Sonnenuntergänge am Meer oder morgens zum Wachwerden in den Bergsee springen: Diese Szenen sind nicht nur Social-Media-Mythen, sondern Realität. Außerdem können das Auskommen mit wenigen Dingen und der völlig neue Tagesablauf für manche Menschen erholsamer sein als eine Woche am All-Inclusive-Pool. Zumindest, wenn man ein paar Dinge beachtet. Sechs Tipps, mit denen dein Campingurlaub mit dem Motorrad zum unvergesslichen Erlebnis wird.
Was für Hamburger das ganze Jahr über gilt, gilt ganz besonders beim Campen. Vor allem, wenn es in wechselhafte Regionen wie Schottland oder Skandinavien geht. Das Zwiebelsystem hat sich bewährt. Eine gute Regenjacke, eine lange, schnelltrocknende Hose und bequeme, wasserdichte Schuhe machen das Leben auf dem Campingplatz wesentlich angenehmer.
Als unterste Schicht, die auf der Haut liegt, empfehlen sich Kleidungsstücke aus oder mit einem hohen Anteil an Merinowolle (beim Kauf unbedingt darauf achten, dass die Wolle mulesingfrei ist!). Das Material sorgt aufgrund seiner speziellen Fasern im trockenen wie nassen Zustand für die richtige Wärmeregulierung am Körper. Es kühlt bei hohen Temperaturen und wärmt bei kalten. Vor allem, wenn es in mehreren Schichten getragen wird. Außerdem hat Merinowolle einen unschlagbaren Vorteil gegenüber Kunstfasern und Baumwolle: Es ist von Natur aus antibakteriell und nimmt erst nach langer Zeit Körpergeruch an. T-Shirts und Longsleeves können so mehrere Tage getragen werden.
Für Camper ein Segen, denn der Platz für Kleidung ist auf dem Motorrad sehr begrenzt, wenn noch Campingausrüstung mitfährt. Mach am besten keinen Unterschied zwischen den Klamotten, die du in der Freizeit trägst und denen, die du unter deiner Motorradschutzkleidung anziehst.
Ob Koffer, Softbags, Satteltaschen oder die klassische Gepäckrolle auf dem Heck: Das Gepäcksystem hängt stark vom Motorradtyp ab. In jedem Fall gibt es nichts Nervigeres, als Ewigkeiten nach der Isomatte zu suchen, weil es im Inneren der Tasche aussieht wie Kraut und Rüben. Da macht das Campen schon keinen Spaß mehr.
Wenn möglich, sollten Klamotten und Campingausrüstung getrennt verpackt werden. Wenn es doch mal für eine Nacht ins Hotel geht, spart man sich damit zudem zeitraubendes Umpacken. Hierbei unbedingt auf die Gewichtsverteilung am Motorrad achten! Schwere und sperrige Gegenstände kommen nach unten in die Tasche. Mit den kleinen und leichten Stücken werden die Zwischenräume gefüllt. Um die Klamotten möglichst kompakt und sortiert in die Tasche stopfen zu können, eignen sich Kompressionsbeutel in verschiedenen Größen, die es in jedem gutsortierten Outdoor-Geschäft gibt.
Falls du 20 Jahre jung bist, einen schmerzfreien Rücken hast und auch auf einer Parkbank schläfst wie ein sattes Baby, kannst du diesen Absatz gern überspringen. Für alle anderen gilt leider: Wer billig kauft, kauft zweimal. Gerade bei Isomatte, Schlafsack, Kissen und Zelt sollte nicht gespart werden. MotorradfahrerInnen haben an die gesamte Campingausrüstung übrigens ähnliche Ansprüche wie Wandernde an ihr Equipment für mehrwöchige Trekkingtouren. Frag im Fachhandel konkret danach, wenn dein Gegenüber nichts mit motorisierten Zweirädern am Hut hat.
Erholsamer Schlaf ist auf einer längeren Motorradreise absolut wichtig. Schließlich brauchst du deine volle Konzentration, um auch auf fremden und unbekannten Straßen aufmerksam und sicher zu fahren. Deshalb lohnt sich in jedem Fall die Investition in eine komfortable Isomatte mit kleinem Packmaß. Selbstaufblasende Modelle mit integriertem Schaumstoff sind ein guter Kompromiss aus beidem.
Meine persönliche Empfehlung: Die Therm-a-Rest Trail Pro (ca. 165 Euro), die es sogar in verschiedenen Längen und Breiten für unterschiedliche Körperformen gibt. Die Wahl des Schlafsackes ist hingegen von Reiseland und -zeit abhängig. Je kälter die Region, desto eher lohnt sich ein guter Daunenschlafsack, da dieser sich besonders stark komprimieren lässt und wenig Platz wegnimmt.
Beim Kissen scheiden sich hingegen die Geister. Manchen CamperInnen reicht ein mit Kleidungsstücken gefüllter Stoffbeutel. Wer ein richtiges Kopfkissen bevorzugt, dem lege ich das Kompressionskissen von Therm-a-Rest (Compressible Pillow, ca. 35 Euro) ans Herz, das sich mit einem Kordelzug sogar im Härtegrad einstellen lässt.
Damit der Alltag auf dem Campingplatz ebenfalls komfortabel wird, sind ein kleiner Faltstuhl, Kocher und ein wenig Geschirr (am besten aus Edelstahl) sinnvoll. Selbst wenn man nicht kochen möchte, ist es schön, sich morgens entspannt einen Kaffee oder abends vor dem Schlafengehen einen wärmenden Tee zubereiten zu können. Equipment hierfür gibt es jede Menge auf dem Markt, lass dich am besten im Fachhandel beraten. Manchmal gibt es auch gutes, praktisches Zubehör für den kleinen Geldbeutel bei Tchibo. Denk auch an eine Unterlegplatte für deinen Seitenständer, wenn du keine Verbreiterung verbaut hast. Ansonsten versinkt der Ständer gern im weichen Boden und das Bike kippt um. Solche Platten findest du in jeder Louis-Filiale an der Kasse.
Bleibt noch das am meisten diskutierte Thema beim Campen: das Zelt. Die größten Rollen spielen Packmaß und Gewicht, denn je kleiner und leichter das Gepäck, desto angenehmer das Motorradfahren. Alles andere, zum Beispiel ob die Außenhaut mit Silikon oder PU beschichtet ist, hängt vom persönlichen Budget ab. Die sehr günstigen Varianten eignen sich meist nicht, da sie zu schwer, zu groß und teilweise nicht wasserdicht sind. Sobald du dich entscheidest, häufiger auf Reisen zu campen, lohnt sich bereits ein mittel- bis höherpreisiges Zelt.
Ein Modell kann ich absolut empfehlen: Das Zwei-Personen-Zelt Wechsel Forum 4 2 (899,90 Euro) ist klein (Packmaß 48 x 19 cm), leicht (3,7 kg), qualitativ sehr hochwertig, silikonbeschichtet, selbststehend und extrem schnell und leicht aufzubauen. Allerdings hat es nur zwei kleine Apsiden und weder Stehhöhe noch Vorzelt. Als größere Variante ist gerade das LoneRider MotoTent (499 Euro) bei meinem Mann und mir eingezogen. Es ist nicht ganz sie einfach aufzubauen wie das Modell von Wechsel, bietet dafür aber einen Vorraum und Stehhöhe. Das Equipment, das ich aktuell im Gepäck habe, ist unten in der Packliste verlinkt.
Klingt im ersten Moment nicht so schwer, bringt aber einige Herausforderungen mit sich, besonders in der Hauptsaison in beliebten Urlaubsregionen. Nicht auf jedem Platz hast du trotz guter Lage eine gute Aussicht. Nicht immer hat der Platz faire Preise. Nicht jeder Platz hat freie Kapazitäten. Nicht überall darf das Motorrad neben deinem Zelt stehen. Es lohnt sich immer, die Hauptroute zu verlassen und in weniger bekannten Gegenden nach einem schönen Campingplatz zu suchen.
Zum Beispiel könntest du, statt direkt den Gardasee anzusteuern, dir auch am benachbarten Iseosee einen Platz suchen. Große Plätze mit Parzellen, die in erster Linie auf große Wohnwagen und Reisemobile ausgerichtet sind, eignen sich für Motorradcamper oft nicht so gut. Während die Wohnmobilisten sich in ihre Gefährte zurückziehen können, sitzt man selbst wie auf dem Präsentierteller und wird nicht selten mit mitleidigen Blicken und Kommentaren bedacht.
Google-Bewertungen sind übrigens absolut sinnlos. Anhand der Fotos von Besuchern kannst du dir aber ein ungefähres Bild vom Campingplatz machen. Alles andere ist Erfahrung. Von allen Campingplätzen, auf denen ich bisher war, hatten die kleinen und abgelegenen mit rudimentärer Ausstattung auch die spektakulärsten Aussichten. Für den besonderen Kick kannst du (zumindest in der Nebensaison) auch einfach wild drauflosfahren und beim nächsten Campingschild abbiegen. Der Zufall führt einen oft in unerwartet schöne Ecken.
Die Preise variieren stark, je nach Reiseland und Region. Von 14 Euro pro Nacht im Theth Nationalpark in Albanien bis zu 48 Euro pro Nacht auf der italienischen Insel Elba (alles für zwei Personen, zwei Motorräder, ein Zelt) habe ich schon alles erlebt. Durchschnittlich bezahlt man rund 25 Euro für eine Übernachtung. Kroatien, Schweiz und Italien sind laut einer Preisanalyse der Campingplattform PinCamp die kostspieligsten Campingländern Europas. Viele Campingplätze bieten mittlerweile auch feste Unterkünfte wie Campingfässer, Mobilheime, Mietwohnwagen und sogar Baumhäuser an.
Das Schöne ist: Wer mit Campingausrüstung auf dem Motorrad reist, kann sich auch jederzeit spontan entscheiden, im Hotel zu übernachten. Zum Beispiel, weil man schon den ganzen Tag durch strömenden Regen gefahren ist und einfach keine Lust mehr hat, das Zelt aufzubauen während es Hunde und Katzen regnet. Oder wenn nur eine kurze Zwischenübernachtung geplant ist, und man am nächsten Tag in der Früh weiterfahren will. Denk immer daran: Das ist dein Urlaub und keine Rallye-Vorbereitung. Du bist zum Genießen hier.
Jeden Tag das Zelt ab- und abends wieder aufzubauen und das gesamte Zeug aus- und wieder einzuräumen, nervt irgendwann. Das ist natürlich eine Frage des Typs. Mir geht es auf jeden Fall so. Deshalb baue ich das Zelt grundsätzlich erst ab zwei Übernachtungen auf. Ansonsten gehe ich ins Hotel oder B&B. Da ich Camping allerdings sehr schön finde, suche ich mir auf dem Großteil der Reise tolle Campingplätze in der jeweiligen Region des Landes, die ich mir anschauen möchte, bleibe dort mehrere Tage, und fahre sternförmig Touren. Das hat sich nach einigen Jahren Motorradreisen so entwickelt. Wie dein eigenes Reiseverhalten beim Camping ist, musst du selbst herausfinden.
Wer absolut nichts mit Camping anfangen kann, Lagerfeuer bescheuert findet und vom Hotelurlaub überzeugt ist: Lass es sein! So wie nicht jede von uns Kreuzfahrten oder Backpacking toll findet, ist auch Camping nichts für jede/n Motorradfahrer/in. Wenn du aber gerade ernsthaft darüber nachdenkst, empfehle ich dir, es vorher auszuprobieren. Leih dir Equipment von Freunden oder im Fachhandel und teste das Zelten mit deinem Motorrad an einem Wochenende am nahegelegenen See aus. Dann bekommst du meistens schon eine Ahnung, ob diese Urlaubsform grundsätzlich etwas für dich ist oder du lieber weiterhin den Komfort einer festen Unterkunft bevorzugst.